KI zerstört Dein Unternehmen

Klingt provokant? Soll es auch. Während allerorts Künstliche Intelligenz als Wunderlösung gefeiert wird, stehen viele Holzbau-Unternehmen digital noch auf wackligen Beinen.

Der Titel mag überspitzt sein, doch die Warnung dahinter ist ernst: Wer ohne stabile Grundlage kopflos auf den KI-Zug aufspringt, riskiert langfristig Chaos statt Effizienz.

KI-Hype vs. Baustellen-Realität

Die Erwartungen an KI schießen durch die Decke. Manche Unternehmer wirken fast erleichtert: „KI übernimmt bald alles, wir müssen nichts mehr machen“ – so oder so ähnlich hört man es dieser Tage. Doch was ist die Realität auf vielen Baustellen und in Büros der Holzbaubranche? Ein aktuelles Beispiel aus einem mittelständischen Holzbau-Unternehmen zeigt die Kluft zwischen Vision und Wirklichkeit: Dort arbeitet man noch mit einem veralteten, lokal installierten ERP-System ohne Cloud-Anbindung . Täglich werden Stundenzettel auf Papier ausgefüllt), und Material wird per Telefonanruf beim Lieferanten bestellt – mit allen Medienbrüchen und Intransparenzen, die solche analogen Gewohnheiten mit sich bringen. Gleichzeitig schwärmt die Geschäftsführung von KI-Agenten, die man demnächst einführen wolle, als könnte das all die Probleme magisch lösen.

Dieser Betrieb ist kein Einzelfall. Die Holzbaubranche insgesamt befindet sich zwar im digitalen Umbruch, doch hinkt sie in vieler Hinsicht hinterher. Während andere Industrien ihre Produktivität in den letzten Jahrzehnten massiv steigern konnten, stagniert die Produktivität im Baugewerbe seit Jahren – laut Statistischem Bundesamt lag sie 2023 immer noch rund 23 % unter dem Niveau von 1991, während sie in der verarbeitenden Industrie um 103 % gestiegen ist. Eine Umfrage zeigte kürzlich, dass weniger als 6 % aller Bauunternehmen durchgängig digitale Planungswerkzeuge nutzen; selbst im fortschrittlichen Holzbau arbeiten zwar über 50 % der Betriebe in 3D, aber praktisch alle haben noch ungenutzte Digitalisierungspotenziale. Mit anderen Worten: Viele Bauunternehmen haben ihre Hausaufgaben in Sachen Digitalisierung noch nicht gemacht – springen aber schon auf den nächsten Hype auf. Das ist, als würde man ein altes Haus mit Rissen im Fundament mit einer Solaranlage ausstatten wollen: beeindruckende Technologie obendrauf, aber die Grundlage bröckelt.

Prozesse, Daten, Kultur – die fehlenden Grundlagen

Warum ist es so gefährlich, ohne Grundlagen auf KI zu setzen? Weil KI keine Abkürzung an den grundlegenden Problemen vorbei bietet. Im Gegenteil: KI verstärkt das, was da ist – sind die Prozesse chaotisch, die Daten unvollständig oder die Kultur resistent, dann wird KI dieses Chaos nur automatisieren. Es fehlt in vielen Unternehmen an fünf elementaren Voraussetzungen, bevor KI überhaupt sinnvoll wirken kann.

Man sieht: Bevor KI überhaupt ins Spiel kommen kann, müssen diese Hausaufgaben erledigt sein. Im eingangs erwähnten Beispiel-Betrieb fehlten praktisch alle fünf Voraussetzungen – kein Wunder, dass der Berater im Workshop erstmal die Reißleine zog. Er machte klar, dass ein KI-Agent überhaupt nur funktionieren kann, wenn Daten verfügbar sind und ein definierter Prozess existiert. Andernfalls bleibt KI ein Luftschloss. KI ist kein Wunderheiler, der ein strukturloses Unternehmen gesund zaubert. Erst wenn Prozesse digital abgebildet und Daten in modernen Tools vorliegen, lohnt es sich, über künstliche Intelligenz nachzudenken.

  • Klare, definierte Prozesse: Ohne standardisierte Abläufe keine erfolgreiche Automatisierung. Ein KI-Agent ist letztlich nichts anderes als eine Prozess-Automatisierung – er benötigt verfügbare Daten und einen klar definierten Workflow als Grundlage. Wenn aber jeder Projektleiter Bestellungen anders abwickelt und Abläufe nur in den Köpfen existieren, kann auch die beste KI nichts Einheitliches finden, was sie übernehmen soll.

  • Konsistente, digitale Datenbasis: Daten sind der Rohstoff der KI. Doch in vielen Betrieben liegen Informationen verstreut in E-Mails, lokalen Excel-Dateien oder sogar in Aktenschränken. Moderne KI-Lösungen brauchen Zugriff auf zentral verfügbare, aktuelle Daten – idealerweise in Cloud-Systemen mit offenen Schnittstellen. Wer stattdessen noch auf „lokale Server und geschlossene ERP-Systeme“ setzt, macht es KI praktisch unmöglich, zu helfen. Die schöne neue KI-Welt funktioniert nur sehr bedingt mit lokaler Insellösung-IT, der Integrationsaufwand wäre „gigantisch“ und steht „in keinem Verhältnis zum Mehrwert“.

  • Digitalkompetenz im Team: Was nützen digitale Tools oder KI, wenn die Mitarbeiter nicht damit umgehen können? Die Belegschaft muss mit ins Boot geholt werden. Oft stoßen neue digitale Prozesse zunächst auf Widerstand – „Das haben wir immer anders gemacht.“ Erfolgreiche Digitalisierung erfordert Change Management: frühzeitige Einbindung der Mitarbeiter, Schulungen und das Aufzeigen konkreter Vorteile im Arbeitsalltag. Nur wenn das Team versteht, warum neue Tools (oder KI) helfen und keine Bedrohung sind, werden sie auch genutzt.

  • Moderne Führung und Kultur: Digitalisierung beginnt in den Köpfen – vor allem in der Chefetage. Wenn die Führungskräfte nicht selbst vorleben, dass digitale Innovation Priorität hat, bleibt sie im Tagesgeschäft liegen. Moderne Führung heißt auch, bereit zu sein, alte Zöpfe abzuschneiden, Fehlerkultur zu fördern und den Mitarbeitern den Rücken zu stärken bei Veränderungen. Wer hingegen glaubt, mit dem Kauf eines KI-Tools sei die Arbeit getan, der irrt gewaltig. Führung muss den Wandel aktiv treiben, sonst verpufft jede technische Neuerung wirkungslos.

  • Cloudfähige IT-Infrastruktur: Diese technische Basis klingt banal, ist aber oft der Knackpunkt. KI-Anwendungen – von Chatbots bis hin zu komplexen Analysesystemen – entfalten ihr Potenzial meist als vernetzte Cloud-Dienste. Liegen die Unternehmensdaten aber auf einem abgeschotteten lokalen Server, wird jeder KI-Integrationsversuch zur teuren Bastelarbeit. Offene Schnittstellen, Cloud-Plattformen und vernetzte Software-Tools sind das Fundament, auf dem KI aufsetzen kann. Ohne dieses Fundament bleibt KI-Spielerei ein isolierter Fremdkörper.

Déjà-vu aus den 2000ern: Tech-Hype ohne Wandel

Kommt Ihnen das bekannt vor? Der Tech-Hype ist nicht neu. Vor rund 20 Jahren, um die Jahrtausendwende und in den 2000ern, glaubten schon einmal viele Unternehmen, die nächste Software-Generation würde alle Probleme lösen. Damals hieß das Zauberwort vielleicht ERP-System, Intranet oder E-Business. Man investierte Millionen in neue Programme und Hardware – doch vergaß allzu oft den kulturellen Wandel. Die Abläufe blieben die alten, die Mitarbeiter wurden nicht mitgenommen. Das Ergebnis: teuer implementierte Systeme, die kaum jemand wirklich nutzte, und ein tiefer Frust in der Organisation.

Wir sehen heute dieselben Muster. Technik wird glorifiziert, Kultur ignoriert. Noch immer scheitern laut Studien rund 70 % der Digitalisierungsprojekte – und zwar nicht an der Technik, sondern an fehlender Strategie, unklaren Prozessen und menschlichen Faktoren. Das entspricht weltweit jährlich über 900 Milliarden Dollar verbrannter Investitionen in IT-Projekte, die ihren versprochenen Nutzen nicht liefern. Anders gesagt: Sieben von zehn Digitalinitiativen verpuffen, weil man glaubte, mit dem Kauf von Technologie sei es getan.

Die Parallelen zur Dotcom-Ära sind frappierend. Schon damals glänzten die Hochglanz-Broschüren der IT-Anbieter, während in den Betrieben Excelsheets und Faxgeräte den Alltag bestimmten. Auch vor 20 Jahren wurde Technik überhöht und der Mensch vergessen. Und heute? KI wird von manchen als Allheilmittel betrachtet – dabei drohen wir die Lektionen der Vergangenheit zu ignorieren. Wenn Unternehmen im Holzbau jetzt blind KI-Systeme einführen, ohne ihre Organisation auf Veränderung einzustellen, laufen sie Gefahr, die Fehler von damals zu wiederholen.

Verspielte Potenziale und echte Schäden

Was passiert, wenn man die KI vor dem Pferd – sprich: vor die Grundlagen – spannt? Kurzfristig mag es beeindruckend wirken, wenn ein Betrieb verkündet, nun auch KI zu nutzen. Vielleicht gibt es ein paar Pilotprojekte oder Marketing-Texte aus der Maschine. Langfristig jedoch richtet diese Diskrepanz Schaden an: Geld und Zeit werden in Aktivitäten investiert, die keinen nachhaltigen Ertrag bringen, weil die Basis fehlt. Schlimmer noch, es können wertvolle technologische Potenziale verspielt werden.

Ein Blick auf extreme Fälle illustriert das: Da investiert z.B. ein Unternehmen 30 Millionen Dollar in eine Digitalinitiative, um sie 18 Monate später frustriert abzubrechen – übrig bleiben enttäuschte Mitarbeiter und genervte Anteilseigner. Oder ein anderes führt ein neues IT-System ein, aber zwei Jahre danach arbeitet das Personal immer noch mit Excel und Papier für zentrale Prozesse. Solche Szenarien sind kein Science-Fiction, sondern Realität – auch wenn die Summen im Holzbau meist kleiner sind, die Mechanismen sind dieselben. Wenn KI-Projekte scheitern, hinterlassen sie verbrannte Erde: Mitarbeiter verlieren das Vertrauen in jede neue Technologie („Klappte ja letztes Mal auch nicht“), die Organisation fällt im Vergleich zu mutigeren Wettbewerbern weiter zurück und künftige Innovationen stoßen auf Zynismus statt Aufbruchstimmung.

Außerdem vergeudet ein vorschneller KI-Aktionismus die eigentlichen Chancen der Technologie. KI kann enorme Produktivitätsgewinne bringen – aber nur, wenn die Umgebung stimmt. Wer zu früh falsche Erwartungen schürt, riskiert, dass KI intern einen schlechten Ruf bekommt. So wird eine an sich wertvolle Innovation vorzeitig diskreditiert. Die echten Effizienzpotenziale bleiben ungenutzt, während man im schlimmsten Fall in teuren Fehlentwicklungen versinkt. In der Zwischenzeit nutzen andere Wettbewerber die Zeit, ihr Fundament zu festigen, um dann mit KI durchzustarten – und ziehen an einem vorbei.

Zusammengefasst: Ein Holzbau-Unternehmen, das heute mit halbgaren KI-Spielereien glänzen will, anstatt seine Prozesse und Daten in den Griff zu bekommen, schadet sich langfristig selbst. Es verzettelt sich in Prestige-Projekten und lässt die wirklich wichtigen Baustellen ungeklärt. Technologie alleine gewinnt kein Rennen – insbesondere nicht, wenn der Motor stottert und das Fahrwerk klappert.

Appell: Erst die Grundlagen, dann die KI

Zum Schluss ein deutlicher Appell als Trusted Advisor an alle Geschäftsführer und Unternehmer im Holzbau: Macht Eure Hausaufgaben, bevor Ihr auf KI setzt! Schafft die Voraussetzungen, damit KI überhaupt einen Nutzen stiften kann. Konkret heißt das: Entrümpelt und standardisiert Eure Prozesse, baut eine konsistente digitale Datenbasis auf, schult Eure Mitarbeiter und fördert digitale Kompetenz. Stellt auf cloudfähige Tools um, sorgt für offene Schnittstellen zwischen Euren Systemen. Und vor allem: Lebt als Führungskräfte den Wandel vor – zeigt Eurem Team, dass Digitalisierung Chefsache ist und nicht nebenbei läuft.

KI kann ein gewaltiger Produktivitäts-Booster sein – wenn das Fundament tragfähig ist. Ein Unternehmen, das klar strukturierte Abläufe hat, dessen Daten sauber erfasst und vernetzt sind, und dessen Kultur offen für Neues ist, wird von KI enorm profitieren. In so einem Umfeld übernimmt KI lästige Routinearbeiten, liefert wertvolle Entscheidungsinformationen und verschafft den Mitarbeitern Freiräume für wichtigere Aufgaben. Genau das wollen wir ja erreichen: effizientere Prozesse, entlastete Teams, wettbewerbsfähige Betriebe.

Doch der Weg dorthin führt nicht über Abkürzungen oder glänzende Trend-Themen, sondern über harte Vorarbeit. Wer das Fundament stärkt, dessen Bauunternehmen wird von KI nicht zerstört, sondern gestärkt. Wer hingegen glaubt, die grundlegende Digitalisierung überspringen zu können, dem droht ein böses Erwachen – nämlich dass die vielgepriesene KI am Ende nur die Schwächen verstärkt und das Unternehmen ins Wanken bringt.

Seien wir ehrlich: KI ist nicht der erste Technologieschub, den unsere Branche erlebt – aber vielleicht der folgenreichste. Nutzen wir ihn weise. Das bedeutet Disziplin vor Disruption: Erst wenn Euer Holzbau-Betrieb in sich stabil und digital bereit ist, macht der Einsatz von KI wirklich Sinn. Andernfalls läuft man Gefahr, dass „KI dein Bauunternehmen zerstört“ – und das darf nicht passieren. Also, legen wir den Schalter um: Back to basics, dann ab in die Zukunft!

Fazit: Technologie kann Wunder bewirken, aber keine Wunder erzwingen. Im Holzbau – wie überall – gilt: Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Sobald Eure Prozesse, Daten und Führungsstrukturen sitzen, steht dem sinnvollen KI-Einsatz nichts mehr im Weg. Dann ist KI kein Risiko mehr, sondern eine Riesenchance für Euer Bauunternehmen. Packen wir’s an – aber der Reihe nach!

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Strukturelle Probleme im Holzbau - Warum Technik nicht die Rettung ist

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Das 1x1 der Digitalisierung im Holzbau