KI in der Produktion: Anwendungen in Deutschland

Abbildung: Ein AR-gestütztes System (hier das Augmented-Carpentry-Projekt der EPFL) bietet Handwerker:innen visuelle Unterstützung in Echtzeit. Ein am Werkzeug montiertes Tablet blendet Hologramme ein und zeigt z. B. exakte Schnittlinien, Bohrpunkte und Winkel direkt auf dem Holz an. So können Zimmerleute millimetergenaue Zuschnitte und Bohrungen durchführen, ohne manuell anzuzeichnen - das System führt die Bediener durch farbige Linien und passt sich bei Abweichungen automatisch an.

Einleitung

Künstliche Intelligenz (KI) hält zunehmend Einzug in die Baubranche - auch im Holzbau. Vom digitalen Planen bis zur automatisierten Fertigung eröffnen KI-Technologien neue Möglichkeiten, um Effizienz, Präzision und Nachhaltigkeit zu steigern. Während viele Zimmereibetriebe heute bereits auf CAD-Software und CNC-Maschinen setzen, sind speziell auf den Holzbau zugeschnittene KI-Lösungen noch im Kommen. Doch aktuelle Beispiele aus Forschung und Praxis zeigen, dass KI vom Design über die Produktion bis zur Qualitätssicherung bereits produktiv eingesetzt wird. Dieses Paper gibt einen Überblick über den Stand der Technik für KI-Anwendungen im industriellen Holzbau in Deutschland. Im Fokus stehen Computer-Vision-gestützte Verfahren (z. B. Augmented Reality in der Fertigung), Forschungsprojekte deutscher Universitäten und Institute sowie Start-ups mit KI-Lösungen für Fertigung, Qualitätssicherung und Automatisierung. Die Darstellung richtet sich an Geschäftsführer im Holzbau - praxisnah und verständlich, aber fundiert.

Augmented Reality und Computer Vision für manuelle Prozesse

Eine der spannendsten Entwicklungen ist der Einsatz von Augmented Reality (AR) und Computer Vision, um manuelle Arbeitsprozesse präziser und einfacher zu machen. Ein Beispiel dafür ist das Konzept Augmented Carpentry, bei dem gewöhnliche Elektrowerkzeuge durch KI-gestützte Assistenz “smart” werden.

Dieses open-source AR-System, entwickelt an der EPFL in Lausanne, ist darauf ausgelegt, CNC-Genauigkeit in die manuelle Fertigung zu bringen. Ein Tablet wird auf Sägen oder Bohrern montiert und erfasst über eine Kamera Marker auf dem Balken, um Lage und Orientierung des Werkstücks zu bestimmen. Anschließend werden virtuelle Schnittführungen mit Sub-Millimeter-Präzision eingeblendet. Linien in verschiedenen Farben zeigen z.B. die korrekte Werkzeugposition, Schnitttiefe oder Bohrwinkel an. Sensoren verfolgen die Bewegung - verrutscht das Werkzeug, bleibt die virtuelle Markierung deckungsgleich auf dem Holz, sodass derdie Bedienerin sofort korrigieren kann. Durch diese Mensch-Maschine-Kollaboration sinkt das Fehlerrisiko deutlich, und die manuelle Ausführung wird effizienter und sicherer.

Auch in Deutschland wird an ähnlichen Ansätzen gearbeitet. Ein Mittelstand-Digital Projekt in Chemnitz trainiert etwa ein KI-Modell darauf, Tätigkeiten von Werker*innen per Kameras zu erkennen - ob Sägen, Bohren oder Heben. Ziel ist es, riskante Situationen frühzeitig zu detektieren und Arbeitsabläufe ergonomischer zu gestalten. So könnten Kameras mit Bilderkennung künftig sofort alarmieren, wenn z.B. jemand ohne Schutzbrille an der Kreissäge steht, oder Optimierungen für Wege und Bewegungsabläufe vorschlagen. Diese Vision einer “smarten Werkhalle” zeigt, wie Computer Vision die manuelle Fertigung im Holzbau sicherer und effizienter machen kann.

Darüber hinaus lässt sich KI auch zur dynamischen Steuerung von CNC-Maschinen einsetzen. Anstatt starr vorgegebene Programmroutinen abzuarbeiten, können lernende Algorithmen aus vergangenen Projektdaten lernen und in Echtzeit die Bearbeitungsstrategie anpassen. Beispielsweise würden Vorschubgeschwindigkeit, Drehzahl oder Schnittreihenfolge automatisch optimiert, abgestimmt auf das aktuelle Werkstück und die Werkzeugbelastung. Erste Anwendungen zeigen: Dadurch gelingen präzisere Schnitte, es fällt weniger Ausschuss an und die Bediener werden entlastet. Diese Art von selbstoptimierender Maschinensteuerung ist ein weiterer Baustein hin zu einer zunehmend automatisierten Fertigung.

Forschung in Deutschland: KI-Initiativen an Hochschulen und Instituten

Deutsche Universitäten und Institute treiben KI-Innovationen im Holzbau mit diversen Forschungsprojekten voran. Im Folgenden einige aktuelle Projekte und deren Anwendungsfälle:

Materialoptimierung und Ressourceneffizienz

Im Projekt AI-Timber (mit Beteiligung des MIT) wird erforscht, wie sich rohe, unregelmäßig gewachsene Holzstämme optimal nutzen lassen. Anstatt Stämme gerade zuzuschneiden, analysiert eine KI die natürliche Krümmung und Form der Hölzer und kombiniert sie passend - so bleibt mehr vom Querschnitt erhalten, der Rundholzbedarf sinkt um bis zu 30 %. Einen anderen Weg geht das KIT-Projekt ReSidual: Hier erkennt eine KI in der Produktion anfallende Verschnittreste und fügt geometrisch passende Reststücke via Robotik zu neuen Bauteilen zusammen. Das Resultat sind vollwertige, individuelle Tragwerke aus Restholz - ökologisch sinnvoll und statisch zuverlässig. Solche Ansätze zeigen, wie KI den Holzbau materialeffizienter machen kann, indem Verschnitt und Abfall minimiert werden.

Digitalisierung von Bestandsgebäuden (BIM)

Die Technische Universität München (TUM) und Partner arbeiten an Methoden, um per KI aus vorhandenen Daten automatisch digitale Gebäudemodelle zu erstellen. So entwickelt das vom BMWi geförderte Projekt BIMKIT KI-Verfahren, die aus 2D-Plänen, Punktwolken, Fotos oder Textdokumenten ein BIM-fähiges 3D-Modell eines Gebäudes generieren. Auch die Aktualisierung von Bestandsdaten soll automatisiert erfolgen. Das Ziel sind “digitale Zwillinge” von Bauwerken, die stets den aktuellen Bestand widerspiegeln und als Planungsgrundlage dienen. Für Holzbauunternehmen könnte dies z.B. bedeuten, Altgebäude schneller für eine Aufstockung in Holzbauweise zu erfassen. Außerdem hat die TUM gemeinsam mit der Nemetschek-Stiftung ein eigenes KI-Institut für das Bauwesen gegründet, das zahlreiche Forschungsarbeiten (u.a. zum Thema Building Information Modeling) vorantreibt. Die Bemühungen fokussieren darauf, Planungsprozesse mittels KI zu beschleunigen und Datenaustausch-Standards (BIM-Referenzprozesse) für den Holzbau zu entwickeln.

Qualitätssicherung durch Bilderkennung

Am Fraunhofer-Institut ITWM wird derzeit ein KI-basiertes Oberflächeninspektionssystem für Holzwerkstoffplatten entwickelt. Dieses soll die manuelle Sichtprüfung in der Fertigung ersetzen. Der Clou: ein hybrider Ansatz kombiniert klassische Bildverarbeitung mit Deep Learning, um Fehler wie Kratzer, Leimflecken oder Verfärbungen zuverlässig zu detektieren - sogar minimale Abweichungen, die das menschliche Auge kaum wahrnimmt. So kann jedes Plattenelement in der Produktionslinie vollautomatisch auf Qualitätsmängel geprüft werden. Auch die Holzalterung steht im Fokus der Forschung: Im Projekt WAVE (Hochschule Eberswalde & TH Wildau, bis 2027) wird eine KI darauf trainiert, die optische Alterung von Hölzern prognostizieren. Labordaten zu Farb- und Strukturveränderungen dienen als Trainingsmaterial; das Modell simuliert, wie z.B. regionale Kiefer nach 10, 20 oder 50 Jahren Bewitterung aussieht. Diese Vorhersagen lassen sich in CAD/BIM-Programme einbinden, was Architekten und Holzbauingenieuren die Wahl geeigneter Holzarten oder Beschichtungen erleichtert. Neben solchen Forschungsprojekten wird KI auch bereits pragmatisch im Feld erprobt: Einige Holzbaufirmen nutzen z.B. Drohnen mit hochauflösenden Kameras, um Dächer oder Fassaden auf Schäden zu inspizieren. Künftig kann die Auswertung der Drohnenbilder durch KI erfolgen, sodass Risse oder Feuchtigkeit automatisch erkannt werden.

Diese Beispiele verdeutlichen, dass an renommierten Einrichtungen - von Fraunhofer-Instituten über Technische Universitäten (TUM, KIT) bis hin zu Fachhochschulen - intensiv daran gearbeitet wird, KI für den Holzbau nutzbar zu machen. Noch befinden sich viele Lösungen im Prototyp- oder Pilotstadium, doch die Richtung ist klar: KI soll helfen, Planung und Fertigung effizienter zu gestalten, Ressourcen zu sparen und Qualität zu steigern.

Start-ups: KI-basierte Lösungen aus der Praxis

Parallel zur Forschung bringen Start-ups frischen Wind in den Holzbau, indem sie KI-Technologien in marktreife Produkte und Dienstleistungen gießen. Einige junge Unternehmen - teils aus Deutschland, teils international - liefern bereits heute konkrete KI-Lösungen für Holzbauplanung, Fertigung und Monitoring.

Ein herausragendes Beispiel ist Daisy AI. Dieses Start-up bietet ein KI-Tool an, das auf Knopfdruck einen kompletten Holzbau-Tragwerksplan generiert. Ausgehend von einem leeren Grundriss erstellt Daisy innerhalb von ~30 Minuten einen fertigen Statik-Entwurf für Wände, Decken und Dach - inklusive struktureller Berechnung, Materialbedarf und Kostenschätzung. Damit können Holzbauingenieure in kürzester Zeit verschiedene Varianten durchspielen und haben eine belastbare Grundlage für Angebot und Fertigung. Solche generativen Design-Algorithmen versprechen enorme Zeitersparnis und optimierte Konstruktionen, was sich letztlich in Kosten- und Materialeinsparungen niederschlägt.

Auch im Fertigungsbereich entstehen neue Lösungen.

Die Berliner Firma Gropyus, die modulare Mehrfamilienhäuser in Holzbauweise entwickelt, setzt KI ein, um die gesamte Produktionskette digital zu steuern. Sämtliche Gebäude- und Prozessdaten werden in einer eigenen Plattform - einem sogenannten “Data Fabric” - zusammengeführt und kontinuierlich per KI ausgewertet. Auf dieser Grundlage optimiert Gropyus laufend sein Produktdesign sowie die Fertigungsprozesse. Konkret bedeutet das: Vernetzte Robotik und KI überwachen den Ablauf in der Fabrikhalle, erkennen Engpässe oder Abweichungen und passen z.B. den Produktionsplan selbständig an. Das Unternehmen verkürzt durch diese intelligente Automatisierung die Bauzeit um bis zu 50 % und erreicht eine konstant hohe Qualität bei niedrigeren Kosten. Dieses Beispiel zeigt, wie ein Start-up KI nutzen kann, um industrielle Holzbauproduktion im Werk effizienter zu gestalten.

Weitere Innovationen kommen von jungen Tech-Firmen, die ursprünglich nicht aus dem Holzbau stammen, aber Lösungen adaptieren: Etwa Airteam (Berlin), deren Drohnen-Software mittels KI Dachlandschaften autonom vermisst und für die Solarplanung analysiert. Durch Bilderkennung lernt das System automatisch Dachformen, Kanten, Fenster etc. zu erkennen und erzeugt detailgenaue 3D-Modelle - eine Technik, die prinzipiell auch der Holzbauer für Aufmaße oder Inspektionen nutzen kann. Auch im Handwerk selbst entstehen Start-up-Ideen: Zum Beispiel entwickelt ein deutsches Gründerteam mit MeinZimmerer-App digitale Assistenten für Zimmereibetriebe, die perspektivisch mit KI-Komponenten (etwa automatischer Dokumentenanalyse) ausgebaut werden könnten. Zwar steht diese “Smarte Zimmerei”-Vision noch am Anfang, doch sie unterstreicht, dass digitale Tools im Zimmererhandwerk immer selbstverständlicher werden.

Zusammenfassend lässt sich beobachten: Die Start-up-Szene im (Holz-)Bau experimentiert an vielen Fronten mit KI - von der Planung über die Fertigung bis zur Baustellenlogistik. Für Holzbau-Geschäftsführer sind diese Lösungen vor allem dann interessant, wenn sie praktische Probleme lösen: Sei es der Fachkräftemangel (durch Automatisierung von Routinearbeiten), der Kostendruck (durch optimierte Entwürfe und weniger Nacharbeit) oder die Qualitätssicherung (durch lückenlose digitale Überwachung). Einige Lösungen - wie Daisy AI oder Gropyus’ Fertigungssteuerung - werden bereits erprobt oder genutzt, andere kündigen sich am Horizont an. In jedem Fall tragen Start-ups dazu bei, dass KI schneller den Weg in die Baupraxis findet.

Fazit und Ausblick

Auch wenn KI im Alltag der meisten Zimmereibetriebe noch Neuland ist, steht ihr Durchbruch im Holzbau unmittelbar bevor. Die hier beschriebenen Beispiele aus Forschung und Entwicklung machen deutlich, dass KI ein Gamechanger für den industriellen Holzbau sein kann. Bereits heute entstehen produktive Anwendungen: von AR-Brillen, die Handwerker bei Zuschnitten anleiten, über Algorithmen, die den Verschnitt minimieren, bis zu Kamerasystemen, die Fehler in Holzplatten zuverlässig aufspüren. In Pilotprojekten konnte KI die Präzision steigern, Zeit sparen und Ressourcen schonen - Eigenschaften, die im Wettbewerb entscheidend sind.

Kurzfristig ist zu erwarten, dass weitere Pilotanwendungen in die Praxisphase gehen und erste Holzbaufirmen gezielt in KI-Tools investieren. Etwa zur automatischen Qualitätssicherung in der Produktion oder zur Unterstützung in der Arbeitsvorbereitung. Die notwendige Datenbasis (digitale Baupläne, Prozessdaten aus CNC-Maschinen etc.) ist in vielen Betrieben bereits vorhanden - KI kann diese Daten nun nutzen, um Muster zu erkennen und Entscheidungen vorzuschlagen. Gleichzeitig müssen Betriebe noch Hürden überwinden: Etwa die Schulung der Mitarbeiter im Umgang mit neuen Technologien und die Integration der KI-Systeme in bestehende Abläufe.

Langfristig aber ist es nur eine Frage der Zeit, bis KI im Holzbau so selbstverständlich wird wie heute eine Kappsäge. Eine autonome Baustelle, auf der Roboter dank KI selbstständig montieren und der digitale Zwilling mitdenkt, rückt in greifbare Nähe. Für die Geschäftsführer von Holzbau-Unternehmen gilt es, diese Entwicklung aktiv zu verfolgen. KI ist kein Selbstzweck - doch richtig eingesetzt, kann sie helfen, schneller, präziser und kostengünstiger zu bauen und gleichzeitig die wertvolle Ressource Holz optimal zu nutzen. Der industrielle Holzbau in Deutschland steht damit am Beginn einer neuen Ära, in der Mensch und Maschine Hand in Hand arbeiten - zum Vorteil von Betrieb, Kunden und Umwelt.

Quellen: Wissenschaftliche Veröffentlichungen, Forschungsinformationssysteme und Fachpresse wurden herangezogen, u.a. Veröffentlichungen von Fraunhofer-Instituten, Projektseiten deutscher Hochschulen sowie Fachartikel aus dem Bereich Holzbau und KI. Diese belegen die genannten Projekte und Anwendungen und bieten vertiefende Einblicke.

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